Noch so jung und doch schon so viele Aufgaben: Südwestfalen ist eine erst seit 2007 als solche existierende Region, die den letzten weißen Fleck auf der Regionalkarte NRWs füllt mit dem Ziel Synergieeffekte zu nutzen. Es umfasst die Kreise Hochsauerlandkreis, Märkischer Kreis, Olpe, Siegen‐Wittgenstein und Soest und vereint damit verschiedene Kulturen unter einem Dach – oder versucht es zumindest.
Insgesamt gehören 59 Städte und Gemeinden mit knapp 1,4 Millionen Menschen zu dieser Region im südlichen Teil Westfalens – rund acht Prozent der Gesamtbevölkerung NRWs. Dabei stellt die Stadt Siegen mit knapp 110.000 Einwohnern die einzige Großstadt in der gesamten Region. Südwestfalen hat – verglichen etwa mit dem Ruhrgebiet oder auch einzelnen Ballungszentren wie Düsseldorf – innerhalb von Nordrhein‐Westfalen wenig Einwohner auf einer im Verhältnis sehr großen Fläche, was als erster Indikator für potenziellen Fachkräftemangel gelten kann. Möglicherweise wirkungsvolle Maßnahmen wie ein Regionalmarketing sind aufgrund des Alters der Region noch nicht umfassend eingeführt und in den Köpfen der Zielgruppe verankert.
Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war Südwestfalen kein einheitliches Gebiet, ab diesem Zeitpunkt war es eine feststehende Provinz des Staates Preußen. Die Historie Südwestfalens beginnt aber deutlich früher. Die rund 6.200 Quadratkilometer stehen für etwa 20 Prozent der Fläche NRWs. Ein Großteil dieser Fläche ist bewaldet, weiterhin existieren diverse Talsperren und Naturparks. Die Region ist geprägt von einer Eisenerz beinhaltenden Mittelgebirgslandschaft. Südwestfalen galt aufgrund dieser topographischen Beschaffenheit lange als europäisches Zentrum des Eisengewerbes. Seit über 4.000 Jahren wird im Gebiet des heutigen Märkischen Kreises Eisen abgebaut, seit rund 1.000 Jahren wird es zu Draht weiterverarbeitet.
Die erfolgreiche Bewerbung für das Strukturförderungsprogramm Regionale 2013 des Landes NRW war ein erster Erfolg, dem noch viele weitere folgen müssen, um den folgenden Herausforderungen zu begegnen:
- Infrastrukturelle Situation: Südwestfalen ist in Bezug auf die Infrastruktur durch diverse Probleme charakterisiert; das in NRW sonst stark ausgebaute Autobahnnetz führt fast um die komplette Region herum. Das hat nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen, weil ansässige Unternehmen längere Lieferzeiten einplanen müssen. Auch potenzielle Fachkräfte müssen zeitlich längere Anfahrtswege zu einem Arbeitsplatz in Kauf nehmen, sodass Pendeln in die Region im Wettbewerb zur benachbarten Region Ruhrgebiet unattraktiv ist. Verstärkt wird der Effekt durch das schlecht ausgebaute Autobahnnetz auch durch eine Zweiteilung des ÖPNV und SPNV mit wenig einfachen Strecken innerhalb der Region.
- Technische Situation: Das für das Privat‐ und auch Wirtschaftsleben immer wichtiger werdende Internet ist an schnelle Datenübertragungsraten gebunden, um heutigen Ansprüchen gerecht zu werden. Die bis dato herrschende Netzabdeckung ist – auch hier wieder im Vergleich zu anderen Regionen NRWs, etwa dem Ruhrgebiet oder dem Rheinland – schlecht. Im Wettbewerb um Fachkräfte und auch weitere Unternehmen ist dies ein Nachteil.
- Demografische Zukunft: Deutschland überaltert, die lange geltende Alterspyramide auf deren Konzept beispielsweise auch das deutsche Sozialversicherungssystem basiert, wird sich laut Prognosen bis 2030 aufgelöst haben. Südwestfalen ist hiervon besonders betroffen; die Region schrumpft. Die ohnehin geringe Bevölkerungsdichte sinkt weiterhin, was im Vergleich zu echten Ballungszentren zum Nachteil bei der Fachkräftesuche werden kann. Auch der Anteil an Frauen sinkt, das Potenzial der erwerbstätigen Frauen ist demnach auch geringer als in anderen Regionen NRWs. Darüber hinaus altert das Stadtbild.
- Regionale Identität: Durch die erst 2007 geschaffenen Grenzen Südwestfalens gibt es noch erhebliche Identifikationsprobleme mit der Region. Das mindert die Durchschlagskraft von auf der Regionalmarke beruhenden Kommunikationskampagnen und hat unter anderem auch Auswirkungen auf die mentale Bereitschaft, Südwestfalen selbst in die Außenwelt zu tragen oder auf Stellensuche in der ganzen Region zu gehen.
Nichtsdestotrotz bietet Südwestfalen auch viel Potenzial. Dies äußert sich zum einen im gelebten Selbstverständnis der Südwestfalen, die konservative Werte bevorzugen und daher das Ehrenamt leben. Die Folge sind kulturelle Abwechslung und viele Möglichkeiten für junge Menschen, die als Fachkräfte benötigt werden. Zum anderen bietet die Region – sowohl historisch als auch durch aktive Pflege – insbesondere naturverbundenen Menschen und Outdoor‐Interessierten eine Heimat durch zahlreiche Wälder, Talsperren oder Skigebiete. Eine weitere, große Stärke Südwestfalens liegt in
den Unternehmen selbst. Weit über 100 Weltmarktführer in verschiedenen Branchen bieten herausfordernde Arbeitsplätze mit hohem technischem Innovationspotenzial, Weiterentwicklungs‐ und kreativen Entfaltungsmöglichkeiten. Durch die frühe Konfrontation mit den Herausforderungen des Fachkräftemangels sind die Unternehmen darüber hinaus arbeitgeberfreundlich eingestellt und weisen ein hohes Maß an Flexibilität auf.
Quellen:
- Bruns, A. (1998). Westfalen, Preußische Provinz. In G. Taddey, Lexikon der Deutschen Geschichte (S. 1341‐1342). Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.
- netzwerkdraht e. V. (11. Juli 2014). Über uns | Netzwerk Drahtindustrie. Von Internetseite vom netzwerkdraht e. V.
- Seher, D. (19. Juni 2014). Wirtschaft ‐ „Die Unternehmen werden gehen“. Abgerufen am 30. Juli 2014 von Online‐Portal der WAZ.
- Südwestfalen AG. (2007). Südwestfalen Studie 2007. Olpe: Kay Druck und Medien.
- Südwestfalen AG. (2008). Regionale Südwestfalen. Bewerbung. Attendorn, Nordrhein‐Westfalen, Deutschland.
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- Südwestfalen Agentur GmbH b. (kein Datum). Industrieregion mit langer Tradition |Südwestfalen. Abgerufen am 11. Juli 2014 von Internetseite der Region Südwestfalen.
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