Balance zwischen Leistung und Leben – Ansprüche der heutigen Arbeitnehmer

Neben dem demografischen Wandel werden die Fachkräftesuche und vor allem der lokale Fachkräftemangel zudem direkt von den veränderten Ansprüchen der Zielgruppe der Arbeitnehmer beeinflusst. Die Fachzeitschrift Ad Age beschreibt die Generation der aktuellen jungen Fachkräfte, die zwischen 1984 und 1994 geboren wurden, mit dem Begriff Generation Y. Der Buchstabe Y steht für den englischen Begriff why aus der Annahme heraus, dass diese Generation bestehende Gesellschaftsstrukturen und Lebenskonzepte zunehmend hinterfragt. Im Grunde gibt es keine Übereinkunft, welche Zeitspanne die Generation Y genau umfassen soll. Die meisten Autoren sind sich lediglich einig, dass die 80er Generation den Kern ausmacht. Die Generation Y beerbt die Generation X, von der befürchtet wurde, dass Werte wie Familie, Arbeit und Eltern gleichgültig seien. Dies gilt allerdings nur für die jungen Jahre des Aufbegehrens, denn diese Generation hatte zumeist doch noch zu einem angepassten Lebensrhythmus gefunden. Von der Generation Y wird nun erwartet, dass sie erstmals gegebene Strukturen anzweifelt und eigene, neue Wege geht. Dabei gibt es Thesen, die davon ausgehen, dass diese Generation zu viel erleben und nichts verpassen möchte und daraus zu egoistisch agiert, um für ein Unternehmen betriebswirtschaftlich von Nutzen zu sein. In einem Artikel der Huffington Post wird dagegen behauptet, genau das Gegenteil sei der Fall: Sie seien so sehr angepasst und auf perfekte Lebensläufe bei Großunternehmen bedacht, dass sie gar nicht dazu in der Lage seien, Dinge zu hinterfragen oder gar festgefahrene Arbeitsstrukturen zu ändern.

Der Grund, warum sie in der Öffentlichkeit trotzdem anders wahrgenommen würden, liege in den wenigen Freigeistern, die es umso schwerer hätten, aus diesen festgefahrenen Strukturen zu entkommen. Es wurden Studien zur Generation Y durchgeführt, die positive Aspekte herausstellen. Diese umfassen etwa die Fähigkeit, natürlicherweise Informationen über das Internet zu beschaffen, schneller und ungezwungener mit neuen Technologien umgehen zu können sowie den Wunsch zu haben, einen Unterschied zwischen der Umwelt und dem eigenen Leben machen zu wollen. Bei einer Befragung von 494 Generation Y Angehörigen war mit 35,9 Prozent ein großer Teil davon überzeugt, alle Anforderungen des Arbeitslebens erfüllen zu können. Da diese Generation besonders auf Emotionen reagiert, werden Institutionen und Unternehmen an Attraktivität gewinnen, wenn sie geschickt daran appellieren. Auch nach der Einstellung dieser Fachkräfte sollte auf einen Umgang geachtet werden, der regelmäßiges Feedback seitens der jeweiligen Führungskräfte einschließt.

Andere Studien ergeben, dass diese Generation hohe Erwartungen an das Arbeitsumfeld hat. 79 Prozent erwarten vom Arbeitgeber dieselben Werte, die auch sie selbst gut finden. 82 Prozent der Befragten erwarten zudem, dass sich die Arbeitszeit an ihre persönliche Situation anpasst. Es besteht ebenso ein Wertewandel bei jungen Menschen weg von kommerziellen hin zu alternativen Zielen. Arbeitsplatzsicherheit und soziale Orientierung rangieren vor Einkommenszielen. Familie und Freunde sind laut einer KienbaumStudie mit 71 Prozent wichtiger als Erfolg und Karriere mit 43 Prozent der Nennungen. Die Karriere steht zudem hinter der Selbstverwirklichung mit 48 Prozent zurück. Es gilt also, den neuen Arbeitnehmern dieser Generation möglichst schnell ein starkes und positives Bindungsgefühl zu vermitteln und ihrer Arbeit eine Sinnhaftigkeit zu verleihen. Es ist daher wichtig, die Bedürfnisse dieser Generation nicht einfach abzulehnen, sondern im Idealfall zu ergründen und zu verstehen, sodass es möglich ist, gezielt darauf einzugehen. So äußert sich der vom manager magazin befragte Personalvorstand der Daimler AG Wilfried Porth:

„Die Bewerber fragen nicht mehr zuerst nach dem Dienstwagen, sondern nach Sabbaticals, Elternzeit und Kinderbetreuung.“

In einer Studie, in der über 30.000 Studierende über ihre beliebtesten Arbeitgeber befragt wurden, lag das Unternehmen bei den Ingenieuren 2014 auf Platz fünf. Aussagen dieser Art über die Generation Y sind häufig zu finden. Es ergibt sich damit ein erstaunlich einheitliches öffentliches Bild einer scheinbar klar einer Denkweise zuordenbaren Generation:

„Für die junge Generation haben Leistung und Lebensgenuss ihren Alternativ- oder gar Konfrontationscharakter verloren.“

Diese Äußerungen deuten einen Wandel im Stellenwert von Familie, Freizeit und Beruf an. Die Generation Y will sich nicht mehr zwischen Privatleben und Beruf entscheiden müssen, sondern sucht Modelle, welche die Koexistenz beider Lebensbereiche ermöglichen. Hier seien dann die Unternehmen gefragt, entsprechende Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Es gibt Gegenstimmen, die behaupten, eine ganze Generation lasse sich gar nicht in einer Kategorie ausdrücken. Sie sehen darin den Abgrenzungsdrang der älteren Generationen, die mit der Jugend wenige Gemeinsamkeiten sehen. Es sei außerdem der Versuch, diese nun auf die Arbeitsmärkte strömenden Nachwuchskräfte zu verstehen, einzuschätzen und mit Attributen zu versehen. Es muss außerdem erwähnt werden, dass es auch Umfragen zu dieser Generation gibt, deren Ergebnisse nicht von den Einstellungen früherer Generation entfernt sind. Ein Beispiel dafür ist die Universum‐Studie. Universum ist ein Marktforschungsinstitut und stellt diese Daten zur Verfügung, um neue Kunden mit Erfahrung und Daten zu generieren. Die Studie findet aufgrund ihres großen Umfangs dennoch Berücksichtigung. Universum hat 11.173 Personen aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und 5.979 Personen aus dem Ingenieurwesen befragt. Insofern handelt es sich ausschließlich um eine akademische Zielgruppe in einer vergleichsweise hohen Zahl.

Befragt nach den relevantesten Attributen eines zukünftigen Arbeitsgebers, war den beiden Gruppen ein attraktives Grundgehalt am wichtigsten. Bei den Wirtschaftswissenschaften‐ Studierenden folgten darauf ein hohes Einkommen in der Zukunft und erst dann ein freundliches Arbeitsumfeld. Den Ingenieuren war eine sichere Arbeitsstelle am zweitwichtigsten, erst danach war ihnen ein angenehmes Arbeitsumfeld wichtig. Das gleiche Marktforschungsinstitut führte 2014 eine weitere Studentenbefragung bei über 30.000 Studierenden verschiedener Fachbereiche durch. Bei dieser Studie wurde als langfristiges Karriereziel eine ausgewogene Work‐Life‐Balance ermittelt. Dies kann man als weiteren Hinweis darauf verstehen, dass eine komplette Generation nicht eine homogene Gesinnungsrichtung hat, nach der sich Unternehmen in der Kommunikation richten könnten. Es geht also vielmehr darum, die Einzelinteressen bestimmter Personengruppen kennenzulernen und entsprechend darauf zu reagieren.

Urbanisierung

Der Standort ist bei den angehenden Arbeitskräften laut einer Kienbaum‐Studie viertwichtigster Faktor; wenn es um die Bewertung des zukünftigen Arbeitgebers geht, ist der Standort demnach ein kritischer Einflussfaktor auf lokalen Fachkräftemangel. Dies bestätigt auch die stark standortabhängige Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland. Auch bei der nun in den Arbeitsmarkt eintretenden Generation junger Akademiker hat sich die Bedeutung des Arbeitsstandortes verstärkt. Die Städte mit dem höchsten Anteil an den derzeit 20‐ bis 34‐Jährigen sind laut einer Studie des Sozialforschungsinstituts Empirica Aachen, Münster, Rostock, Kiel, Jena, Würzburg, Tübingen, Freiburg und München. Den Studienergebnissen nach liegt ihr Anteil dort um mehr als 35 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Bei den Städten handelt es sich vornehmlich um Universitätsstädte, daher ist dieser hohe Anteil nicht sehr ungewöhnlich, aber ein Indikator für lokalen Fachkräftemangel, denn laut der Studie verbleiben viele Studenten nach dem Studium auch in ihrer Studienstadt. Dadurch verbessern sich die Entwicklungschancen dieser Städte. Insgesamt gibt es einen Trend zur bevorzugten Wahl von Städten als Wohnort, was mit dem Begriff der Urbanisierung beschrieben wird. Urbanisierung beinhaltet dabei im Gegensatz zu der Bezeichnung Verstädterung, die nur auf demografische und siedlungsstrukturelle Aspekte abzielt, auch sozialpsychologische Aspekte. Im Kern geht es dabei um den Prozess der Ausbreitung städtischer Lebens‐ und Verhaltensweisen. Das umfasst Haushalts‐ und Raumstrukturen, Konsummuster, berufliche Differenzierung sowie Wertvorstellungen der Stadtbewohner. Häufig ist hier auch die Rede von der Landflucht oder Land‐Stadt‐Wanderungen. Diese haben oft eine rasche Zunahme von Einwohnerzahlen in Verdichtungsräumen zur Folge.

Gleichzeitig kann Urbanisierung auch stellvertretend für den Verbrauch an landwirtschaftlichen Nutzflächen gesehen werden. Konkret heißt das, dass durch starke Bebauung im Zuge von Stadtausweitungen landwirtschaftliche Nutzflächen bebaut und limitiert werden. Dadurch senkt sich in stark bebauten Gebieten das Leistungsvermögen des Landschaftshaushaltes. Das stellt zusätzlich einen umwelttechnischen Aspekt dar. Die Tier‐ und Pflanzenwelt wird zurückgedrängt, wodurch zunehmende Umweltverschmutzung droht. Diesem Prozess folgt dabei häufig die Suburbanisierung, die aus der Urbanisierung resultierende Expansion der Städte in das Umland. Ob eine Suburbanisierung vorliegt, lässt sich an der Zunahme von Beschäftigten im Umland bei gleichzeitiger Abnahme selbiger im Kernstadtbereich feststellen. Dabei fällt es meist schwer, eine äußere Grenze dieser Expansion zu orten. Das lässt vermuten, dass viele Menschen nicht einfach nur im Umfeld einer Stadt leben wollen. Sie scheinen die Vorzüge, beispielsweise in Form einer größeren kulturellen Vielfalt, direkt in der Stadt genießen zu wollen.

Gleichzeitig hat aber auch die Pendlerquote in den letzten Jahrzenten stark zugenommen. Dabei gibt es zwei größere Gruppen von Pendlern. Die täglichen Berufspendler zwischen Wohn‐ und Arbeitsort und die Pendler, die länger wegleiben und zum Beispiel nur am Wochenende heimkehren. Offensichtlich ziehen viele Leute nicht direkt in die Stadt, in der sie arbeiten, sondern wohnen dort und pendeln zu ihrer Arbeit in andere Städte oder Orte. Für die Unternehmen könnte das bedeuten, nicht direkt im suburbanen Bereich einer Stadt angesiedelt sein zu müssen. Eine deutliche Nähe zu einer attraktiven Stadt kann jedoch einen positiven Effekt auf die Anwerbung von neuen Arbeitskräften darstellen. Ein Indikator dafür ist das vermehrte Stadtmarketing in größeren Städten, das fortschreitendem Kontrollverlust über die Kernstadt und sinkender Attraktivität durch drohende Überlastung mit zum Beispiel attraktivitätssteigernden Maßnahmen entgegensteuert.

 

Quellen:

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